Die Arbeit mit Literatur im Fact Deutsch als Fremdsprach
Abstract
Lehrwerkarbeit und Literaturbehandlung im DaF-Unterricht schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig. Wie verhalten sich aber Literatur und Spracherwerb zueinander? "Wie ist die ideale Verkoppelung von Sprachunterricht und Literaturunterricht? Das vorliegende Buch* wurde geschrieben, damit es Antworten auf solche Fragen als Ganzes gibt. Die eindimensionale Betrachtungsweise entweder Fremdsprache oder Literatur lehren ist heute zu einer multidimensionalen geworden: Sowohl die Fremdsprache als auch die Literatur bzw. die fremdsprachliche Literatur lehren.
Literarische Texte werden zunehmend unter neuer Perspektive wahrgenommen, weil sie einen lernerzentrierten, sprachbewussten, landeskundlich und kulturell aufgeladenen Unterricht ermöglichen. Nach Krumm und Port-mann-Tselikas stellen sie eine hervorragende Basis für einen offenen Unterricht dar. Schließlich gilt es, das Interesse an der Literatur im Fremdsprachenunterricht zu befördern. Voraussetzung dafür, dass das geschieht, ist die „Auswahl entsprechender Texte sowie die Entwicklung adäquater Aufgabenstellungen" (Krumm & Portmann-Tselikas, 2003:14).
Noch heute wird die Literaturvermittlung in der Auslandsgermanistik kritisch betrachtet. Öfters wird argumentiert, dass die Auslandsgermanistik in der Wahrnehmung vieler Fachleute mit Literaturwissenschaft assoziiert wird. In diesem Zusammenhang entsteht ein Problem, welches die Weiterentwicklung von anderen fachrelevanten Teilbereichen wie z. B. Literaturdidaktik des Deutschen als Fremdsprache verhindere. Man soll sich deshalb mit der Frage auseinandersetzen, wie die Literatur zeitgemäßer) zu vermitteln ist (vgl. Schewe, 2005: 93).
Wie ist denn die Literatur zeitgemäßer zu vermitteln? Welche Problembereiche sind bei den traditionellen Methoden der Literaturvermittlung zu beobachten und wie können wir in der Türkei den Übergang vom herkömmlichen Literaturunterricht zum modernen Literaturunterricht realisieren? Forschungen zum Lehrerverhalten zeigen, dass die im Studium gemachten Erfahrungen oft nachhaltig weiterwirken. Zum Orientierungsmodell kann somit der im Studium am eigenen Leibe erfahrene Literaturunterricht werden, und das meist unbewusst (vgl. ebd: 94 ). Auch Wolff ist ähnlicher Meinung: „Normalerweise [...] geben Studierende als Lehrkräfte später an ihre Schüler weiter, was sie selbst erfahren und erprobt haben, nur theoretisch Gelerntes wird zwar gewusst (und schnell vergessen), aber selten in die Praxis umgesetzt" (Wolff, 1996: 62).
Das vorliegende Buch versteht sich somit als Einführung in eine praxisorientierte Literaturdidaktik für türkische Deutschlehrerkandidaten und Deutschlehrende. Es wird der Versuch unternommen, die Konzeption der rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik und die aktuellen methodisch-didaktischen Zugänge zu Literatur vorzustellen. Insofern soll es als ein Plädoyer für eine praxisorientierte Literaturdidaktik verstanden werden. Meines Erachtens mangelt es bislang an praxisorientierten Arbeiten, die eine Brücke zwischen Literaturwissenschaft, Literaturdidaktik und Fremdsprachenpraxis schlagen. Lehrende stehen vor dem Problem, dass es nicht viele didaktisch-methodische Vorschläge gibt, aus denen hervorgeht, wie bei der Anwendung von Kategorien der Textanalyse im fremdsprachlichen Literaturunterricht konkret vorzugehen ist (siehe auch Nünning & Surkamp, 2006:8).
Orientiert an den Bedürfnissen der türkischen Deutschlehrerkandidaten und der Deutschlehrenden werden im ersten und zweiten Teil unter Einbeziehung der Literaturwissenschaft die wichtigsten theoretischen Grundlagen des fremdsprachlichen Literaturunterrichts dargelegt. Skizziert werden zuerst die wichtigsten Entwicklungen, die zu einer Neuorientierung im fremdsprachlichen Literaturunterricht, zur Formulierung neuer Lehr- und Lernziele und zur Entwicklung neuer Zugangsformen geführt haben. Es findet ferner eine Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Stellenwert literarischer Texte und mit der Frage nach Auswahlkriterien statt. Im dritten Teil geht es um eine Darstellung der unterschiedlichen Lehr- und Lernziele, d. h. um verschiedene Kompetenzen, die durch die Beschäftigung mit fremdsprachlicher Literatur in Deutschlernenden ausgebildet werden können. Zudem werden einige Überlegungen zur Rolle der Lehrkraft beim Einsatz literarischer Texte im fremdsprachlichen Deutschunterricht angestellt. Im vierten Teil des Buches geht es um Vorstellung der didaktisch-methodisehen Verfahren für literarische Texte. Es wird ein Überblick über die hand-lungs- und produktionsorientierte Verfahren der Texterschließung gegeben, die in den letzten Jahren entwickelt worden sind.
Eine Auseinandersetzung mit einzelnen literarischen Gattungen findet erst im fünften großen Teil statt. Theoretische Grundlagen der epischen, lyrischen und dramatischen Gattungen werden mit rezeptionsästhetisch orientierten Zugangformen der Textarbeit kombiniert. D.h. während einerseits das Grundwissen, die Strukturmerkmale, die Gattungsmerkmale und die Formen der einzelnen Gattungen dargestellt werden, wird andererseits auch gezeigt, wie man mit epischen, lyrischen und dramatischen Formen im fremdsprachlichen Deutschunterricht vorgehen kann. Das Buch trägt der Konzeption eines lernerzentrierten, handlungs- und produktionsorien-tierten DaF-Unterrichts Rechnung. Demonstriert wird deshalb die rezeptionsästhetische Literaturdidaktik mit Unterrichtsbeispielen zu den einzelnen Gattungen. Neben gattungsspezifischen Verfahren wird auch auf Begründung der Textauswahl eingegangen. Exemplarische Unterrichtsreihen zu den verschiedenen literarischen Gattungen werden entworfen, um anschaulich zu zeigen, wie die vorgestellten Verfahren sinnvoll eingesetzt werden können. In Bezug auf den Grundsatz des Buches, sich möglichst nah an der Unterrichtspraxis und an den Bedürfnissen der DaF-Studierenden und der DaF-Lehrkräfte auszurichten, wird die dargestellte Theorie und Methodik mit konkreten Unterrichtsentwürfen für die Unterrichtspraxis verbunden. Nach Begründung der Textauswahl wird der Einsatz der rezeptionsdidaktischen Verfahren anhand von ausgewählten epischen, lyrischen und dramatischen Texten der deutschsprachigen Literatur exemplarisch illustriert. Außerdem werden zu den Unterrichtsentwürfen direkt verwendbare Materialien zusammengestellt. Im Anschluss an Unterrichtsentwürfen werden weiterführende Aufgaben für die Behandlung der jeweiligen Gattung im fremdsprachlichen Deutschunterricht gestellt.
Das vorliegende Buch ist somit als kompakte Einführung in zentrale Gegenstände der Literaturdidaktik für türkische DaF-Lehramt-Studierende gedacht, die die Fähigkeit erwerben möchten, deutschsprachige literarische Texte systematisch und bewusst im DaF-Unterricht zu vermitteln. Außerdem kann es für DaF-Lehrende hilfreich sein, die Informationen über neue Methoden, Modelle, Zugangsformen und Unterrichtsbeispiele im Bereich der Arbeit mit Literatur im Fach Deutsch als Fremdsprache suchen.Der Grund, warum ein besonderer Wert auf literarische Grundbegriffe gelegt wird, liegt darin, dass die Erweiterung des literarischen Grundwissens einen Bedarf der Zielgruppe des vorliegenden Buches darstei:: Im Rahmen der Arbeit mit Literatur plädiert Dobstadt neulich für eine Lners-risierung des Faches Deutsch als Fremdsprache. Dabei soll die „Liter^rm-tät", die literarische Dimension der Sprache als unverzichtbare Basiskategorie im Fremdsprachenlernkontexten gelten. Ebenso den Erwerb vor. Li-terarizitätskompetenz hält er im Rahmen von DaF für unverzichtbar. Seiner Ansicht nach schließt ein auf Literarizität fokussierter Umgang mit Literatur die Öffnung für poststrukturalistische Verstehens- und Lektürekonzepte ein. Die DaF-Lernenden sollten mit Instrumenten ausgestattet werden* die dem Komplexitätsniveau der multikulturellen Realität angemessen sind. Deshalb solle man literaturwissenschaftliche und -didaktische Themer. aus dem DaF-Studium nicht heraushalten (vgl. Dobstadt, 2009: 21-28). In diesem Zusammenhang bezweckt das vorliegende Buch die Förderung der Literaturkompetenzen DaF-Studierender, weil sie die Schulung in Literarizität und in ästhetischen Besonderheiten der Literatur benötigen.
Herzlich danken möchte ich an dieser Stelle Frau Prof.Dr. Ayten Gene, die mir wertvolle didaktische Hinweise gegeben hat. Sie hat auch mit ermutigenden Anmerkungen zur Entstehung dieses Buches beigetragen. Außerdem sind einige englischsprachige Fragesätze ins Deutsche übersetzt worden. Ich möchte mich auch herzlich bei meiner Kollegin Antje Kirchhof bedanken, die mir dabei behilflich war. Den Lesern wäre ich sehr dankbar wenn sie mir ihre Kommentare, Kritik und Anregungen senden würden an
URI
https://library.hacettepe.edu.tr/books/arbeit.htmlhttp://hdl.handle.net/11655/9490
https://library.hacettepe.edu.tr/hubooks/index.php?fn=read&key=4d00d8